Fortschrittskrank ? 

Leben in der beschleunigten Gesellschaft

Im Fortschreiten des Fortschritts, wenn die Idee -den Nachfahren dienstbar zu sein-, ihre Verbindlichkeit eingebüßt hat, werden Zeitgenossen mit ihresgleichen um Vorteile innerhalb der verfügbaren Lebenszeit rivalisieren. Sie werden nicht mehr unter großem Einsatz -für das Wohlergehen der Nachfahren- sorgetragen, sondern umgekehrt, -ihr Wohlergehen- auf Kosten der Nachkommen fördern, um deren Zukunft auf Pump zu verscherbeln. Die Gangart des Fortschritts, wird dann nur noch eine Gangart kennen, die wegen der fatalen Kürze des Lebens - die zur Hektik gesteigerte Eile-. Die fatale Kürze angesichts der Fülle der Möglichkeiten weckt die Angst das Wichtigste, Schönste und Beste zu versäumen.

Der Versuch sich selbst zu beschleunigen, funktioniert aber nur begrenzt. Wenn sie z.B. eine Musiksendung oder eine Ansprache hören wollen, müssen sie immer noch die dafür vorgesehene Zeit opfern, um alles mitzubekommen. Dauert eine Sendung im Radio noch 6 Minuten, müssen sie diese 6 Minuten am Radio bleiben, um die Sendung zu Ende zu hören. Es wird nicht schneller gesendet; wir können nicht schneller hören. - Aber vielleicht wird eines Tages ein Chip im Hirn der Menschen dieser entsetzlichen Langsamkeit ein Ende bereiten. (Oder werden weitere Generationen neuer Chips diese Aufgabe noch schneller erledigen?) Wie wird das enden?

Wir wissen, es besteht eine Verbindung zwischen Langsamkeit und Gedächtnis, zwischen der Geschwindigkeit und dem Vergessen. Zum Verständnis denken wir einfach mal an eine äußerst banale Situation - Ein Mann geht auf der Straße und plötzlich will er sich etwas ins Gedächtnis rufen...., doch die Erinnerung versagt. Was geschieht? In diesem Moment verlangsamt er automatisch seinen Schritt. Umgekehrt jedoch, beschleunigt jemand seine Gangart, wenn er versucht die gerade erlebten Ereignisse zu vergessen, so als wollte er sich rasch von dem entfernen, was zeitlich noch allzunah bei ihm liegt.

In der existentiellen Mathematik bekommt diese Erfahrung die Form zweier elementarer Gleichungen. Der Grad der Langsamkeit, verhält sich direkt proportional zur Intensität der Erinnerung. Der Grad der Geschwindigkeit verhält sich direkt proportional zur Intensität des Vergessens. Geschwindigkeit ist mit dem Vergessen gepaart.

Die Geschwindigkeit beschleunigt, ja industrialisiert das Vergessen. Das Vergessen eines Fußgängers (s.o.) ist Handarbeit. Dieser hat immer ein schlechtes Gewissen, er erinnert sich und vergiß mit einer relativ geringen Geschwindigkeit. Der Mensch des Jet-sets, der Flugzeugpilot oder der Internaut hingegen industrialisiert das Vergessen und verwandelt es in eine Macht deren Dimensionen wir uns nicht vorstellen können. Man vergißt sein Leben, vor allem man vergißt alles um sich herum, die Welt. Das ist das Ergebnis des industriellen Vergessens durch die absolute Geschwindigkeit, der elektromagnetischen Wellen.

Im österreichischen Klagenfurt wurde vor einigen Jahren der Verein zur Verzögerung der Zeit gegründet. Nicht daß die Klagenfurter besonders schwerfällige Menschen wären. Die Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, das eigene Zeitgefühl und die Anpassung an biologische Rhythmen bewußt zu fördern. Die Mitglieder treffen sich sich zu Seminaren um Langsamkeit zu trainieren. Eine ihrer Übungen besteht darin, 100 m in einer halben Stunde zurück zu legen. (jap. Haiku) Schnecke - besteige den Fujy-jama - langsam, ganz langsam. - Aber was tun, wenn die halbe Stunde vorüber ist?

Sollten wir Pessimisten der Geschwindigkeit sein? Vielleicht Amateure! Amateure und Kritiker der Geschwindigkeit. Warum haben Überlegungen über den rasenden technischen Fortschritt einen pessimistischen Beigeschmack? Weil uns Technologie nur durch die Werbung nahegebracht wird. So erscheint uns die Technik nur von ihrer günstigen Seite; durch ihre positiven Leistungen. Das ist ein Phänomen der Werbung.

Wir sollten realistisch denken - begeistert sein von der Technik, nicht immer das Rad zurückdrehen wollen. Nur muß man beim Voranbringen der Technik, die Freiheit haben Kritik anzusetzen. Ist man sicher, daß die Geschwindigkeit der technischen Entwicklungen den Menschen nicht über fordert? Was falsch läuft bei der Entwicklung ist, daß nicht genau soviel Aufmerksamkeit der Folgenbewältigung (der Umgang mit den Folgen), wie der eigentlichen Entwicklung geschenkt wird. Statt die Unmengen an Geld nur für das Fortschreiten der Technik auszugeben, sollte man sich vorher der sozialen Verträglichkeit sicher sein.

Eines ist sicher.., die Temposteigerung, die seit Generationen über die Menschheit wegrollt, ist schwer zu fassen, denn die wichtigsten Zyklen des Lebens lassen sich nicht beschleunigen. Auf den Abend folgt immer ein Morgen, auf das Frühjahr - der Sommer, auf eine Geburt - der Tod, auf eine autofreie Fahrt - der Stau. Und in mitten der Begeisterung über neue Errungenschaften, melden sich zweifelnde Stimmen, gerade unter den Amateuren dieser technisierten Welt. Ganz gleich wie jung oder alt man ist, man sollte kein Sklave der Technik werden. Es wird Zeit, daß sich noch mehr Menschen kritisch mit den neuen Technologien auseinander setzen, statt sich als Sklave, Lehnsleute und Götzenanbeter, diesen hinzugeben.

 
 
 
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