Letzte E-Mail der Astronautin Laurel Clark
Racine/USA (rpo).
Astronautin Laurel Clark hat einen Tag vor dem tragischen Absturz der "Columbia" (01.02.2002) eine E-Mail an Freunde und Verwandte geschrieben. Darin berichtet sie, wie glücklich sie über den Weltraum-Trip ist. Die Mutter eines acht Jahre alten Sohnes lebte in Racine in Wisconsin. Die Nachrichtenagentur AP dokumentiert den Text in einer inoffiziellen Übersetzung: "Hallo von hier oben, über unserem wundervollen Planeten Erde. Der Blick ist wirklich Ehrfurcht gebietend. Dies ist eine grandiose Mission, und wir sind mit den wissenschaftlichen Projekten rund um die Uhr sehr beschäftigt. Umso kostbarer ist es, Zeit für eine E-Mail zu finden - deswegen wird diese nur kurz sein und an viele gehen, die ich kenne und liebe. Ich habe einige unglaubliche Orte gesehen: Blitze über dem Pazifik, das Polarlicht über dem ganzen Horizont von Australien mit dem Leuchten der Städte, den zunehmenden Mond über der Erde, die weiten Ebenen Afrikas und die Dünen am Kap Horn, Flüsse, die sich zwischen hohe Berge hindurchzwängen, die von Menschen in die Landschaft gelegten Narben, die kontinuierliche Linie des Lebens von Nordamerika über Mittelamerika bis Südamerika, ein zunehmender Mond über unserem blauen Planeten. Der Fudschijama sieht von hier oben aus wie eine kleine Erhebung, ragt aber als deutlich sichtbares Wahrzeichen heraus. Wie durch ein Wunder sind wir schon am allerersten Tag über den Michigan-See geflogen und haben ganz deutlich Wind Point (Wisconsin) gesehen. So glücklich war ich seitdem nicht wieder. Mit jeder Erdumdrehung überqueren wir einen etwas anderen Teil der Erde. Natürlich arbeite ich die meiste Zeit im Spacehab und sehe nicht viel davon. Aber immer, wenn ich hinausschaue, ist es wunderbar. Sogar die Sterne leuchten heller. Meinen "Freund" Orion habe ich schon mehrmals gesehen. Fotos von der Erde aufzunehmen, ist eine echte Herausforderung, aber dabei gibt es eine steile Lernkurve. Ich denke, in den letzten beiden Tagen habe ich endlich ein paar wundervolle Aufnahmen hingekriegt. Jetzt drücke ich die Daumen, dass sie auch scharf sind. Meine Kurzsichtigkeit hat sich hier oben etwas verschlechtert, so dass Ihr mich in Fotos oder Filmen vielleicht mit Brille gesehen habt. Ich fühle mich gesegnet, dass ich hier sein und unser Land vertreten darf und Forschungen von Wissenschaftlern in aller Welt ausführen kann. Alle Experimente waren zum größten Teil erfolgreich - trotz der unvermeidlichen Problemchen, die passieren, wenn so komplizierte Dinge in Angriff genommen werden. Einige Experimente haben sogar zusätzliche wissenschaftliche Ergebnisse erbracht. Einiges ist beendet, und ein Experiment wird erst heute gestartet. Das Essen ist prima, und ich fühle mich in dieser neuen, so ganz anderen Umgebung sehr wohl. Es dauert ein Weilchen, bis man gegessen hat, weil die Schwerkraft nicht dabei hilft, Nahrung durch die Speiseröhre nach unten zu befördern. Es ist auch eine ständige Herausforderung, sich ausreichend mit Wasser zu versorgen. Da unsere Körperflüssigkeit zum Kopf hin geschoben wird, haben wir kaum das Gefühl, durstig zu sein. Ich danke Euch allen, die ihr mich und meine Abenteuer all die Jahre unterstützt habt. Dieses jetzt hat sicherlich alle anderen übertroffen. Ich hoffe, dass ihr die positive Energie spüren könnt, die zu dem von uns geteilten Planeten gelangt, während wir über ihn hinweg gleiten." (Redaktionen: die doppelte Erwähnung des Mondes im zweiten Absatz der E-Mail entspricht dem Original)
Quelle WAZ